Tag 1978 Bright Line Eating
Im Ditch
Zur Zeit bin ich im Ditch mit allem was dazu gehört. Ich isoliere mich, ich lüge und verstecke meine Sucht vor meiner direkten Umgebung und beschönige es auch vor mir selber. Das Bingen und die Bulimie haben mich in ihrem Griff und mein Körper und Seele zahlen den Tribut. Ich bin körperlich schwach, immer müde weil ich so schlecht schlafe, sehr reizbar, emotional nicht erreichbar für meine Kinder, betäubt, überfordert.
Das Gefühl da nie mehr rauszukommen ist so stark und mit jedem Tag, an dem es nicht funktioniert, wird es stärker. In der Sucht verliert sich meine Identität, mein Zugang zu meiner Stärke, meiner Integrität. Das Einzige woran ich mich gerade festhalten kann, ist das Wissen, daß ich nur einen Schritt vom bright sein entfernt bin und daß ich es schaffen werde.
Heute morgen wußte ich, daß ich mich dafür öffnen muß, hier vor euch. So kann ich den Kreislauf unterbrechen. Ich habe nichts unter Kontrolle, auch wenn ich das denke, weil mein Gewicht so langsam hoch geht, wegen der Bulimie. Das ist so gefährlich. Die Bulimie hält das Bingen aufrecht und legitimiert es.
Dankbarkeit
Für meinen starken Körper, der das alles immer noch mitmacht und so schnell regenerieren kann, bin ich so dankbar. Für meine Teile, die mich nach außen ein normales Leben leben lassen, obwohl ich süchtig bin, und diese Sucht gerade einen großen Teil meines Lebens bestimmt.
Während ich dies schreibe, wird mir auch bewußt, daß es genau dieses nach außen hin normale ist, was das Bingen überhaupt möglich macht. Würde mein Leben zusammenbrechen, hätte die Sucht und die Bulimie direkte katastrophale Auswirkungen, dann wäre der Leidensdruck so groß, daß ich aufhören müßte.
Wie kann es sein, daß die ganzen oben genannten negatieven Nebenwirkungen der Sucht mir so banal und klein erscheinen, daß sie nicht genug Anlass zur Unterbrechung des Teufelskreises sind?
Es ist genug! Mein Körper zeigt mir deutlich, daß es nicht mehr geht und ich einen Schlussstrich ziehen muß und aufhören muß russisch Roulette zu spielen.
Jeden Tag habe ich brighte Mahlzeiten, auch im Ditch und mein Essen für die Woche ist vorbereitet und steht im Kühlschrank. Das sind gute Voraussetzungen. Auch wenn die Kinder Ferien haben gerade und ich heute arbeiten muß, kann ich bright sein.
Heute, am Tag 1978 Bright Line Eating, werde ich bright sein, einen Plan schreiben und essen was auf diesem steht. Ich vertraue darauf, daß das Essen genug für mich ist und daß ich auch ohne Betäubung überleben kann.
Die Wirklichkeit, mit all ihren Gesichtern und die Gefühle, die sie in mir triggert, ist viel schöner als eine betäubte Realität.
Liebe Grüße,
Olivia